Im letzten Beitrag berichtete ich über den aktuellen Patentstreit Samsung Apple bezüglich des Home-Dreifachklicks zum Einschalten von VoiceOver.
Was macht der Home-Dreifachklick eigentlich genau?
Der Home-Dreifachklick ermöglicht es blinden und sehbehinderten iPhone-Nutzern die komplett eigenständige Einrichtung auf allen aktuellen iOS-Geräten. Schaltet man ein neues oder ein im Werkzustand befindliches iOS-Gerät ein und drückt dann dreimal schnell die Home-Taste so beginnt die Sprachausgabe VoiceOver damit seinen Dienst zu tun und die Bildschirminhalte vorzulesen. Auch die Bedienung wird so angepasst, dass blinde Menschen das Gerät bedienen und vollkommen eigenständig einrichten können.
Allerdings ist der Home-Dreifachklick nach der Einrichtung eines Gerätes nicht standardmäßig vor belegt. So müssen Blinde und Sehbehinderte, die ein bereits eingerichtetes Gerät in Betrieb nehmen diesen erstmal belegen lassen. Man kann diesen Dreifachklick auch mit anderen Bedienungshilfen wie Assistive Touch, Zoom und Farben invertieren belegen, ganz wie es beliebt. Aber Apple hat sich entschlossen am Anfang des Einrichtungsassistenten VoiceOver auf diese man könnte sagen Geste zu legen, da blinde Menschen sonst gar nichts mit dem Gerät anfangen könnten.
Weitere Informationen zum Aktivieren von VoiceOver und dem Home-Dreifachklick können Sie im HelpCenter und in der zweiten Podcast-Folge des StartCenters erfahren.
Fällt diese Möglichkeit weg, wäre das ein bedeutender Rückschlag bzgl. der Qualität der Sprachausgabe von Apple. Da man die Geste oft benötigt um die Sprache ein- und wieder abzuschalten. Wir hoffen also das die Richter des Landgerichts Mannheim gesunden Menschenverstand walten lassen und dem Einhalt gebieten. Es kann nicht sein, dass ein Patentstreit auf diesem Niveau ausgetragen wird.
Was hat der restliche SmartPhone-Markt im Großen und ganzen so zu bieten?
Man kann nicht sagen, dass andere Anbieter untätig seien, aber offen gesagt scheint es nichts Halbes und nichts Ganzes zu sein, was Blinden und Sehbehinderten von beispielsweise Android geboten wird. Als iOS die Tore öffnete wurde Android 4.0 (Ice Cream Sandwich) vorgestellt und dort funktionierte es nicht wirklich zuverlässig. iOS hingegen hat sich im Punkte Barrierefreiheit enorm weiter entwickelt und war damals schon gut. Die Aktivierung von TalkBack und weiterer Funktionen bei der Konfiguration war zwar möglich, aber eine unsägliche Fummelarbeit. So musste man ein gleichmäßiges Rechteck auf dem Bildschirm malen. Ohnehin schon eine schwierige Geste, besonders wenn das Android-Gerät auch nicht besonders tolerant bei der Ausführung dieser Geste war. Es waren viele Anläufe nötig um die Sprache aktivieren zu können und das konnte dem einen oder anderen schon den letzten Nerv rauben.
Erschwerend kommt dazu, dass durch die offene Branding-Politik von Google nicht gewährleistet ist, dass die Bedienungshilfen auch wirklich funktionieren. Glück hat man vielleicht bei den direkt von Google vertriebenen Geräten. Aber bei Anbietern die Ihre eigene Distribution auf die Geräte launchen ist das meistens nicht gegeben.
Wie wir es schon von anderen Betriebssystemanbietern kennen, wurde hier eine unausgegorene Lösung bereitgestellt und weiterentwickelt in der Hoffnung, dass es nicht schlimmer wird.
Mit der Version 4.1 von Googles mobilen Betriebssystem Android verbesserte sich die Situation ein wenig. Durch das Auflegen von zwei Fingern konnte man von nun an die Sprache aktivieren – vorausgesetzt man bewegte sich nicht einmal minimal. In diesem ging die Sprachausgabe sogleich auch wieder aus und es war wieder fummelig. Mit dem Rechteck war die Sprachausgabe wenigstens an, wenn man es denn einmal geschafft hat.
Zwei Schüsse in den Ofen und der dritte folgt sogleich. Version 4.2 kommt und nun kann man die Sprachausgabe TalkBack mittels festhalten der Ein-/Aus-Taste und der Geste aus Version 4.1 aktivieren. Aber deaktivieren geht dann nun wieder nicht. Ob das wirklich soviel einfacher ist, sollte fraglich sein. Denn wenn man Pech hat, kommt man auch in den Screen zum Herunterfahren des Telefons. Und aus ist die Kiste.
Wie schon erwähnt, gibt es durch die vielen verschiedenen Brandings keine Garantie für die problemlose Funktionalität von TalkBack auf Android-Geräten. Am besten fährt man in der Tat mit Geräten die direkt von Google vertrieben werden, aber auch da gibt es keine Garantie. Selbst das Samsung S3 sollte in Bezug auf Barrierefreiheit noch viel dazu lernen. Da fährt man mit der Nexus-Reihe besser. Aber ich kann nur aus praktischer Erfahrung sagen, dass ich für meinen Teil erstmal von Android-Geräten Abstand nehmen werde.
Update-Politik und Update-Verhalten
Man mag es nicht glauben aber viele Anbieter scheinen recht sparsam mit Veröffentlichung neuer Versionen für ihre SmartPhones zu sein. Also um Bedienungshilfen überhaupt mal in Ansätzen nutzen zu können erfordert es schon Android ab Version 4 und das ist längst nicht auf allen Geräten, die im Umlauf sind erhältlich.
Apple hin gegen ist sehr großzügig, was die Updates für Auslaufmodelle angeht. So hat das iPhone 3GS auch ein Update auf iOS 6 spendiert bekommen, wehrend Android-Nutzer älterer SmartPhones auf Android 2.1 sitzen bleiben und auch bestimmte Apps gar nicht nutzen können.
Nun wollen wir nicht zu viel über Android meckern, auch wenn es sich für unseren Personenkreis nicht sehr zu eignen scheint. Die Update-Funktion hat sich seit damals zumindest auf Neugeräten sehr verbessert. So muss man das Gerät nicht mehr unbedingt an den Computer schließen, sondern kann es bequem über die Einstellungen auf die neueste Version bringen, sofern sie den überhaupt vom Anbieter bereitgestellt wird.
Nach erscheinen einer neuen iOS-Version wird eine Update-Welle losgetreten. Auf Apple iOS ist das Update-Verhalten ausgesprochen ausgeprägt. Das mag auch daran liegen, das jeder Versionssprung oft auch mit nützlichen und brauchbaren Funktionen einhergeht. Die Krux liegt im Detail und Apple hat ein ausgesprochenes Talent dafür Funktionen zu entwickeln, die einem das tägliche Arbeiten erleichtern. Oftmals beheben auch kleine Versionssprünge Bugs relativ zügig. Auch wenn bestimmte Probleme manchmal auch bei größeren Versionssprüngen im System verbleiben. So hat sich Apple noch nicht der Problematik in Bezug auf das Abhören der Mailbox in Verbindung mit VoiceOver angenommen. Man fährt nach wie vor am Besten, wenn man einen Kopfhörer an das iPhone anschließt. Aber das sind oft nur Kleinigkeiten, die sich leicht verkraften lassen.
Sind die Restriktionen von Apples App Store Politik wirklich schlecht?
Gerade diesen Restriktionen könnte es zu verdanken sein, dass VoiceOver mit so vielen Apps funktioniert. Letztendlich liegt es natürlich in letzter Konsequenz an den Entwicklern. Vielleicht liegt es aber auch an den einfachen Möglichkeiten die Apple den Entwicklern liefert um Apps mit einfachen Mitteln barrierefrei zu gestallten. Es ist in der Tat weniger Aufwand erforderlich um eine App barrierefrei zu machen, als man so glauben mag. Im RessourceCenter befinden sich einige Quellen und Links für Entwickler von iOS-Applikationen.
Ich wage zu behaupten, dass gerade die hohe Anpassbarkeit von Android ein großes Problem bei der Umsetzung einer barrierefreien Lösung darstellt. So können viele Anbieter das Betriebssystem an ihre Bedürfnisse anpassen.
Gerade die Restriktionen tragen auch zur hohen Bedienbarkeit der Apple-Geräte bei. Ich habe mir sagen lassen, dass Android User immer etwas verkrampft auf ihr SmartPhone schauen, während Apple Usern alles ganz leicht von der Hand zu gehen scheint. Anpassbarkeit und eine hohes Maß an Konfigurationsmöglichkeiten hat auch seinen Preis. Man muss halt auch viel herumkonfigurieren.
Ist es ein Akt der Rache seitens Samsung?
Ist es Verzweiflung? Ist es Hass? Oder einfach nur Rache? Wir wissen es nicht, was Samsung sich bei dieser Aktion vor Gericht gedacht hat. Es könnte schon ein gewisses Maß an Skrupellosigkeit dazu gehören einen solchen Weg einzuschlagen. Es bedeutet für hunderttausende von Blinden eine signifikante Verschlechterung, wenn diese auf den Home-Dreifachklick verzichten müssen. Samsung hatte genügend Gelegenheit dieses scheinbar recht fragwürdige Patent zu nutzen. Anstatt das Geld in teuere Gerichtsverfahren zu investieren, täte Samsung eventuell gut daran es in Technologien für ihre Geräte zu stecken. Damit Blinde auch zukünftig Android bzw. Samsung Geräten gut bedienen können. Da Samsung Geräte wesentlich preisgünstiger sind, wäre das die beste Möglichkeit Apple in diesem Marktsegment den Rang abzulaufen. Aber da verschwendet man kostbare Zeit und viel Geld auf nutzlose Kleinkriege.
In der Justiz gibt es immer wieder Urteile, die jeglichem gesunden Menschenverstand entbehren obwohl sie den Buchstaben des Gesetzes treu bleiben. In vielen Bereichen könnte das Gesetz etwas mehr Menschlichkeit vertragen. Denn die Buchstaben des Gesetzes sollten nie über den Menschen stehen für die sie geschaffen wurden. Recht im juristischen Sinne ist nicht allzu oft fern der Gerechtigkeit.
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